Der Stuhl anderer Menschen kann Leben retten
Spenderstuhl kann schwerkranke Patienten heilen.
9 von 10 Patienten mit der Darmerkrankung Clostridium difficile können durch eine oder mehrere Stuhltransplantationen geheilt werden.
Jetzt wird die Behandlung mit dem Stuhl anderer Menschen Teil des Systems.
Jedes Jahr erkranken mehr als 3.500 Menschen in Dänemark an dem gefährlichen Darmbakterium Clostridioides difficile – ein widerspenstiges Bakterium, das Durchfall und schwerwiegende Darmentzündungen verursachen kann. Das Bakterium ist besonders für geschwächte, ältere oder chronisch erkrankte Patienten gefährlich, die mit Antibiotika behandelt werden.
Häufige Antibiotikabehandlungen können nämlich das Gleichgewicht im Darm durcheinanderbringen, so dass die guten Darmbakterien in die Unterzahl geraten oder gänzlich verschwinden und Clostridioides difficile die Führung übernimmt.
Das kann für den Patienten gefährlich werden und der Durchfall kann sich in eine lebensbedrohliche Infektion entwickeln, die dem Patienten im schlimmsten Fall das Leben kosten kann.
Stuhltransplantation
Nach vielen Studien und mehreren Versuchen, Patienten mit Clostridioides difficile mithilfe von Bakterienkulturen zu heilen, gelang in Europa im Jahr 2013 der Durchbruch.
Ein holländischer Endokrinologe konnte dokumentieren, dass neun von zehn Patienten mit Clostridioides difficile mithilfe von Stuhltransplantationen – auch Fäkale Mikrobiota-Transplantation genannt – geheilt werden konnten. Bei dieser Methode werden gutartige Darmbakterien von einem Spender in den Patienten übertragen.
Die Heilkraft von Stuhltransplantationen ist weitaus besser als die der besten verfügbaren Antibiotika, mit denen nur zwei von zehn Patienten wieder gesund wurden, sagt Christian Lodberg Hvas.
Er ist Chefarzt in der Abteilung für Leber-, Magen- und Darmkrankheiten am Universitätsklinikum Aarhus und klinischer Lektor am Institut für Klinische Medizin der Universität Aarhus, und er empfiehlt, dass Patienten, bei denen die hartnäckige Bakterie nach einer Antibiotikakur wieder zurückkehrt, als nächsten Behandlungsschritt eine Stuhltransplantation erhalten.
17 Mio. DKK für die Entwicklung als Standardbehandlung in Dänemark
Heutzutage werden Stuhltransplantationen in mehreren dänischen Krankenhäusern im Zuge von Forschungsprojekten ausgeführt, 2018 wurden Christian Lodberg Hvas und seiner Forschungsgruppe 17 Mio. DKK von der dänischen Innovationsstiftung bewilligt.
Das Geld ist für die Arbeit bestimmt, die Transplantation des Stuhls gesunder, registrierter und getesteter Spender zur Standardbehandlung in Dänemark zu machen. Die Forschungsgruppe ist ebenfalls intensiv damit beschäftigt, geeignete Stuhlspender zu finden und eine Stuhlbank aufzubauen.
– Die Behandlung mit Stuhltransplantationen kann für den einzelnen Patienten nicht nur lebensrettend sein – sie ist ebenso eine gute Investition des Gesundheitswesens und somit der Gesellschaft, sagt Christian Lodberg Hvas.
Nach einer Analyse der ersten Behandlungen stellte er eine deutliche Einsparung gegenüber vorherigen Behandlungsmethoden fest, bei denen Patienten typischerweise mehrmals über längere Zeiträume im Krankenhaus lagen.
Eine vielseitige Bakterienzusammensetzung ist der Schlüssel zu guter Gesundheit
Experten sind der Meinung, dass der Schlüssel zu einer guten Gesundheit darin besteht – anders gesagt: hohe Vielfalt ist wichtig.
Eine Reihe von Studien bestätigen ebenfalls, dass ein Zusammenhang zwischen einer artenarmen Mikrobiota (Darmflora) – also einer Mikrobiota mit nur wenigen Bakterientypen – und schwerwiegenden Krankheiten wie bspw. chronischer Darmentzündung Colitis Ulcerosa), disseminierter Sklerose, Parkinson, Alzheimer und Dickdarmkrebs besteht.
Das Gleiche gilt für Krankheiten wie bspw. Autismus, Allergien und Diabetes Typ 2.
Einige Forscher sind der Auffassung, dass man auch viele dieser schweren Krankheiten mit Stuhltransplantationen heilen kann, und aktuell sind rund 200 Studien im Gange, bei denen geprüft wird, ob das auch der Fall ist.
So funktioniert eine Stuhltransplantation
Eine Stuhltransplantation (FMT) kann auf drei Weisen erfolgen, die alle in etwa gleich effektiv sind:
- Über eine Endoskopie des Dickdarms, bei denen das Endoskop durch den Enddarm geführt wird
- Über eine Sonde in den Dickdarm, wobei die Sonde durch ein Nasenloch geführt wird
- In Form von Kapseln (insgesamt etwa 30 Stück), die geschluckt werden müssen
Streit um die Klassifizierung: Arzneimittel oder Gewebe?
Die Möglichkeit, auf langfristige Sicht andere schwerwiegende Krankheiten mit Darmbakterien heilen zu können, hat auch in der Pharmaindustrie Wellen geschlagen. Diese sieht eine geschäftliche Chance in der Behandlung mit Spenderstuhl. Aus diesem Grund hat sie ein Interesse daran, Stuhl als Arzneimittel klassifizieren zu lassen – denn Krankenhäuser dürfen schließlich keine Arzneimittel herstellen. Die Ärzte hingegen sind der Auffassung, dass es sich um Gewebe im Sinne von Blut oder Knochenmark handelt, und sind daher bestrebt, Stuhl als Gewebe klassifizieren zu lassen.
Am Universitätsklinikum Aarhus muss nicht auf eine Entscheidung gewartet werden. Aus Gründen der Patientensicherheit wurde dort grünes Licht erteilt, die Arbeit mit dem Aufbau einer Stuhlbank fortzusetzen und schwerkranke Patienten mit Stuhltransplantationen zu behandeln.
Von Christa Zenobie Dahl
Quellen:
Universitätsklinikum Aarhus, Leber-, Magen- und Darmkrankheiten, Patientenratgeber: Allgemeine Richtlinie zur Stuhltransplantation.
Artikel in „Ingeniøren – ing.dk“ vom 14. Mai 2016: „Livsvigtige hjælpere – og ny vej til behandling og forebyggelse: Bakterierne styrer dit liv“ [Lebenswichtige Helfer – und neue Formen der Behandlung und Vorbeugung: Bakterien bestimmen Ihr Leben] von Mie Stage.
Artikel in „Weekendavisen“ vom 1. November 2019: „Det brune guld“ [Das braue Gold] von Gunver Lystbæk
Artikel in „Forskerzone“ vom 3. September 2019 auf Videnskab.dk: „Kan mirakellort helbrede mere end én livstruende sygdom?“ [Kann Wunderkot mehr als nur lebensbedrohliche Krankheiten heilen?] von Christian Lodberg Hvas – Chefarzt der Abteilung für Leber-, Magen- und Darmkrankheiten am Universitätsklinikum Aarhus und klinischer Lektor am Institut für Klinische Medizin der Universität Aarhus und Lars Holger Ehlers – Professor für Gesundheitsökonomie am Institut für Wirtschaft und Management, Universität Aarhus.